Am 18. August 2021 gab SRF nicht nur die Teilnahme am ESC 2022 bekannt, in der Mitteilung wurde – fast beiläufig – auch der neue Head of Delegation Yves Schifferle erwähnt. Da am 8. März 2022 der Schweizer Eurovision Song veröffentlicht wird, ist es höchste Zeit Yves näher kennenzulernen. douzepoints.ch traf ihn online.
douzepoints.ch: Yves, vielen ESC-Fans bist du wohl gar nicht so bekannt. Deshalb möchten wir natürlich wissen: Wer ist dieser Yves Schifferle?
Yves Schifferle: Ja, hoffentlich bin ich nicht bekannt. Und das ist auch das, was ich möchte. Ich sehe mich als Mann im Hintergrund, der die Projektleitung macht. Das ist die Rolle des Head of Delegation. Ich habe ganz tolle Menschen im Team, die das seit Jahren machen. Nicht weil Schifferle nun kommt wird alles anders. Meine Aufgabe ist es, den besten Song und den besten Act hervorzubringen und dafür zu sorgen, dass er ins Rampenlicht kommt und auf der internationalen Bühne glänzt.
Wird man dich denn nie im Pressezentrum vor Ort sehen? Dein Vorgänger Reto Peritz war dort ein gern gesehener Gast, weil man ihn als sexiest Head of Delegation bezeichnete …
(lacht) Natürlich wird man mich vor Ort sehen und ich werde mich mit Bloggern und Medienleuten vernetzen.
Nochmals zurück zu dir als Person: Welche drei Dinge sollte man über dich wissen?
Also, ich bin ein riesiger Eurovision-Fan. Etwa seit 2000 bin ich richtig eingetaucht. Zu Beginn war es das Interesse als TV-Macher, weil es die grösste Fernsehshow der Welt ist. Irgendwann rief ich aus einer Laune heraus auf Facebook einen ESC-Lästerchat ins Leben. So haben wir den Contest Jahr für Jahr gefeiert und ich wurde sogar mal darauf unterwegs angesprochen. Ich war auch schon 6 Mal vor Ort. Kurzum: Als Fan konnte ich richtig gut in die Thematik eintauchen. Als Zweites: Ich kann nur Fernsehen. Meine grosse Leidenschaft ist es, Geschichten in bewegten Bildern zu erzählen und Leute zu unterhalten. Dabei möchte ich aber hinter der Kamera sein. Und als Drittes: Ich lebe seit 13 Jahren mit Wolfgang zusammen und wir haben einen Hund namens Batman. Wir wohnen gerne schön, reisen viel und machen leidenschaftlich Sport.
Apropos ESC-Fans: Die haben meist ja auch eine Post Eurovision Depression (PED). Hast du das auch mal gehabt?
Ja, das hatte ich in den letzten Jahren. Vor allem, als es mit diesem Chat intensiv wurde. Man hört die Songs, freut sich wochenlang. Es ist wie ein Rausch und danach kommt das Loch. Als Head of Delegation wird das schon anders: Du fährst zurück, hast einige Debriefings und dann geht es bereits schon wieder los.
Dein Vorgänger Reto Peritz ist ja nun auch dein Chef. Und ihr führt sicherlich auch Mitarbeitendengespräche. Hast du von ihm ein Ziel zum Eurovision Song Contest erhalten?
Nun, er muss mir das ja gar nicht geben. Natürlich wollen wir weiterhin ins Finale kommen und Top10 haben wir als grosses Ziel. Daran setzen wir alles. Vielleicht dazu noch: Als er mich fragte, ob ich Head of Delegation werden möchte, habe ich mir das gut überlegt. Es war nicht so, dass ich in Begeisterungsstürme ausgebrochen bin. Einerseits ist daran eine grosse Erwartungshaltung geknüpft. Zum andern verliert etwas auch an Magie, wenn man es aus einer beruflichen Perspektive heraus macht. Und nicht zuletzt sind es grosse Fussstapfen, in die ich trete. Reto hat in den letzten fünf Jahren einen bemerkenswerten Turnaround geschafft.
Spürst du denn auch Druck und hattest bereits eine schlaflose Nacht?
Nein, das hatte ich bisher noch nicht. Vielleicht eben auch, weil ich es mir lange überlegte. Eher in dieser Phase letzten Mai hatte ich die eine oder andere nachdenkliche Nacht. Und wie erwähnt, haben wir ein etabliertes Team und durchdachtes Auswahlverfahren, das gibt Sicherheit.
Gab er dir einen Ratschlag mit auf den Weg?
Er bestärkte mich, dass ich alles mitbringe und die richtige Person dafür bin. Und mit den Jahren habe ich gelernt: Wenn jemand von aussen etwas in dir sieht, dann sollte man dem eine Chance geben. Und Reto hat mich bestens eingeführt und den Leuten vorgestellt. Zudem hat er nach wie vor Lust, mich als Sparringpartner zu unterstützen, sein Herz schlägt immer noch für den ESC.
Wir haben vereinbart, dass wir nicht gross über den Song 2022 sprechen. Dennoch gehe ich davon aus, dass er ausgewählt ist. Hand aufs Herz: Gewinnen wir in diesem Jahr?
(lacht) Ich habe ein sehr sehr gutes Gefühl. Wir haben einen mega Act und einen mega Song. Es sind alle begeistert. Es war ein super Jahrgang und wir können nun aus den vergangenen Jahren ernten. Ein Erfolgsfaktor ist es, dass der Prozess nicht öffentlich ist und sich dadurch auch bekannte Schweizer Musiker:innen dem Selektionsprozess stellen.
Jetzt ist die Startreihenfolge bekannt. Die Schweiz ist im 1. Halbfinal in der 1. Hälfte. Was ging dir durch den Kopf, als du dies hörtest?
Dazu habe ich mir nicht viel Gedanken gemacht. Alles, was man nicht steuern kann, nehme ich einfach mal so an. Unser Act freut sich, früh an den Start zu gehen.
Was sind eigentlich deine ersten Erinnerungen an den ESC?
Das war wohl aus Schweizer Sicht Céline Dion mit «Ne partez pas sans moi». Bis heute ist aber ein anderer Song mein absoluter Favorit: der Gewinnersong vom ESC 1991 in Rom. Damals gewann Carola mit Fångad av en stormvind. Ich hatte Gänsehaut.
Ist dies auch dein absoluter Lieblings-ESC-Song?
Ich habe nicht wirklich absolute Lieblingssongs. Ich verbinde mit vielen tollen ESC-Songs ein Lebensgefühl, einen Zeitgeist aus dem jeweiligen Jahr. Deshalb habe ich von Jahr zu Jahr Favoriten, Carola nimmt jedoch klar einen speziellen Platz in meinem Herzen ein.
Gibt es jemanden, den du gerne mal kennenlernen möchtest?
Ja, Måns Zelmerlöw. Ein cooler Typ, sieht gut aus, ein toller Entertainer. Was mir gefiel, als er in Stockholm moderierte, waren seine Comedy-Acts mit Petra Mede. Ich glaube, mit ihm kann man hervorragend zusammenarbeiten. Er scheint mir verlässlich und hat sicherlich tolle Ideen.
Ich gebe dir nun immer zwei Begriffe und für einen musst du dich entscheiden …
Tiktok oder Snapchat? Tiktok
Morgenmensch oder Nachteule? Nachteule, definitiv
Käsefondue oder Raclette? Käsefondue
Stadt oder Land? Uii, da bin ich in der Bredouille. Ich war ein Stadtkind, lebe jetzt auf dem Land. Dennoch: Stadtkind.
Tanzen oder Trinken? Tanzen
Schoggi oder Gummibärli? Aktuell Gummibärli
Darf ich bitten? oder Eurovision Song Contest? Das ist gemein. Aber ich darf ohne schlechtes Gewissen Eurovision Song Contest sagen, weil das mein aktuelles Projekt ist.
Céline Dion oder Lys Assia? Céline Dion
Waterloo oder Euphoria? Euphoria. Als Euphoria rauskam, war ich mir dermassen sicher, dass dieser Song gewinnt. Es war das einzige Jahr, wo ich den Gewinnersong voraussagen konnte.
Gjon’s Tears oder Luca Hänni? Da setze ich meinen Joker …
Was meinst du zum Gewinnerlied 2021 aus Italien?
Ich glaube, es war die Kombination aus Protagonisten, Performance und Song, die zum Sieg geführt hat. Das war hervorragendes Storytelling und es sind unglaublich gute Typen mit Charisma bis zum Abwinken. Den Song alleine hatte ich im Vorfeld überhaupt nicht auf dem Radar. Toll finde ich an dem Sieg auch, dass er zeigt, dass jedes Musikgenre am ESC gewinnen kann.
Auf was freust du dich auf am meisten auf Turin?
In unserem Alter hat man wenige erste Male. Deshalb freue ich mich aufs erste Mal in meiner Rolle als Head of Delegation. Und so viele erste Male, die damit verbunden sind. Auf jeden ersten Schritt. Und ich freue mich natürlich, wenn wir einen ganz ganz tollen Platz erreichen.
Yves, wir freuen uns mit dir. Danke für deine Zeit!
Bild: Yves Schifferle, zvg
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