Nachdem SRF die Entscheidungsshow für die Auswahl des Schweizer Beitrags aus Spargründen gestrichen hat, wurde erstmals für den ESC von 2019 ein neues Auswahlverfahren angewandt. 100 Zuschauer*innen und eine 20-köpfige internationale Fachjury wählen Künstler*innen und den Song. Dass dieses Verfahren erfolgreich ist, zeigte sich mit dem 4. Patz in Tel Aviv von Luca Hänni und seinem «She got me».
Während SRF bereits wieder 100 neue Jury-Mitglieder für die Song-Auswahl 2022 sucht (vgl. den Beitrag bei douzepoints.ch: SRF bereitet Song-Suche 2022 vor), interessiert uns natürlich vor allem der Entscheid zum diesjährigen Beitrag. Wir konnten dazu dem diesjährigen Jury-Mitglied Bastien Venturi ein paar allgemeine Fragen stellen (Details zum Auswahlverfahren sind vertraulich und darf er nicht verraten).
Bastien, bist Du zufrieden mit der Auswahl von «Tout l’univers»?
Jetzt, nachdem ich die endgültige Version gehört habe, den Videoclip gesehen habe und festeht, dass dieser Song erfolgreich bzw. gemäss Buchmachern sogar ein Anwärter auf den Sieg ist, bin ich zufrieden. Aber ich habe anfangs nicht ganz daran geglaubt, weil der Song «Répondez-moi» die Messlatte sehr hochgelegt hatte und ich deshalb dieses Jahr ein sehr anspruchsvoller Juror war.
Du hast ja bereits bei der Auswahl für den Beitrag von 2020 mitgewirkt. 2020 stand der Interpret ja noch nicht fest. War für Dich die Wahl des Interpreten gleich klar?
Ich habe hunderte von Liedern und Interpreten ausgewertet, um herauszufinden, welcher Song/Sänger die Schweiz im Jahr 2020 vertreten könnte. Ich brauchte nur ein paar Sekunden des Zuhörens, um zu wissen, dass «Répondez-moi» von Gjon’s Tears das kostbare Juwel war, das die Schweiz brauchte, um Luca Hännis hervorragendes Ergebnis aus dem Vorjahr zu übertreffen. «Répondez-moi» war Weltklasse. Das haben die Buchmacher verstanden, denn die Schweiz war einer der Favoriten auf den Sieg im Jahr 2020.
Und welcher Song gefällt Dir besser: «Répondez-moi» oder «Tout l’univers»?
Es ist schwer zu sagen, denn sie haben, das muss man sagen, völlig unterschiedliche «Universen». Das Ergebnis ist in beiden Fällen sehr positiv. Ich denke, dass «Répondez-moi» eine Authentizität hat, die «Tout l’univers» logischerweise nicht hat, da durch die Corona-Pandemie alle Karten neu verteilt wurden und alle Künstler und Delegationen wieder am Anfang standen. Einige Delegationen schnitten besser ab als im letzten Jahr (San Marino, Aserbaidschan, Moldawien, etc.), andere weniger gut (Deutschland, Georgien, Russland, Slowenien, etc.). Die Schweiz hielt ein hohes Niveau, ebenso wie Malta, Island und Litauen.
Fandest Du die Arbeit in der Jury spannend und würdest Du so etwas wieder einmal machen?
Als Eurovisions-Fan bin ich sehr stolz, dass ich auf meine bescheidene Art und Weise zum Erfolg meiner Wahlheimat Schweiz beitragen konnte. Während meiner 3 Teilnahmen waren meine Favoriten die Lieder, die offiziell ausgewählt wurden, um die Schweiz zu vertreten. Die 3 Lieder sind sehr erfolgreich. Ich denke, dass ich ein gewisses Talent und Gespür dafür habe, DEN perfekten Eurovision-Song zu finden. Ich weiss, dass SRF derzeit nach neuen Juror*innen sucht. Trotzdem habe ich als bisheriger Juror nochmals Interesse gezeigt und hoffe, dass ich wieder Teil dieser unglaublichen Erfahrung sein werde.
Du hast die Schweiz als Deine Wahlheimat bezeichnet. Ursprünglich kommst Du ja aus Frankreich. Freust Du Dich, dass die Schweiz mit einem Song auf Französisch antritt?
Meine Muttersprache ist Französisch, aber ich schätze besonders die englische Sprache, die vielseitiger ist. Nichtsdestotrotz hat Gjon’s Tears, da es auch seine Muttersprache ist, eine Sensibilität und Kraft in seiner Stimme, wenn er auf Französisch singt, die nicht gleichermassen spürbar ist, wenn er auf Englisch singt. Um den Erfolg des Liedes zu gewährleisten, war es daher offensichtlich, dass der Song auf Französisch sein musste. Ausserdem war es 1956 und 1988, als die Schweiz den Eurovision Song Contest gewann, ein französisches Lied, was ein sehr gutes Omen für unser Land in diesem Jahr ist.
Was denkst Du, wie wird der Schweizer Beitrag in Rotterdam abschneiden? Glaubst Du an einen Gewinn?
Der Schweizer Song wird sehr gut platziert sein (Top 5) und ein Sieg ist definitiv in unserer Reichweite. Alles wird vom Gesang und der Inszenierung abhängen, aber bei Sasha Jean-Baptiste (Creative Director) sind wir in guten Händen. Die Konkurrenz ist mit Malta und Frankreich gross. Ich bin überzeugt, dass eines dieser 3 Länder den ESC 2021 gewinnen wird. Möge der Beste gewinnen! Am besten die Schweiz 😜
Bild: Bastien mit Gjon’s Tears, von Bastien zur Verfügung gestellt
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