Oft heisst es, die Schweiz habe keine Freunde in Europa und könne den Eurovision Song Contest nie mehr gewinnen. Doch 2019 lehrt uns eines besseren: Die Schweiz zog ins Finale ein und Luca Hänni wurde mit «She Got Me» mit 364 Punkten stolzer Vierter. Wer war auf unserer Seite? Und wen haben wir mit Punkten belohnt? Eine Analyse des ESC-Votings aus Schweizer Sicht.
Beim Grand Final des Eurovision Song Contest 2019 erhielt Luca Hänni 364 Punkte und belegte den 4. Rang. Es trennten ihn nur 6 Punkte von Russland (370 Punkte). Es gewann die Niederlande (498 Punkte) vor Italien (472 Punkte).

Was zuerst auffällt: Von 40 möglichen Ländern haben 39 Länder immer Punkte an die Schweiz vergeben. Wir haben also Freunde! Am meisten mochte uns Österreich (total 22 Punkte), gar nicht Montenegro, zero points for Switzerland! Theoretisch könnte die Schweiz bei 41 teilnehmenden Ländern 80 Mal (Fachjury und Zuschauer) die höchste Punktzahl von 12 (die magischen douze points!) erhalten. Die Schweiz erhielt 12 Punkte nur ein Mal von den Zuschauern Österreichs, keine Jury vergab 12 Punkte. Jedoch vergaben die Fachjurys Österreichs, Irlands, Niederlanden, Estlands, Albaniens und Schwedens je 10 Punkte und 3 Mal erhielt die Schweiz 10 Punkte aus den Televotings des Publikums. 152 der 364 Punkte kamen von der Jury. Nach den zuerst vergebenen Jury-Punkten lag die Schweiz auf Rang 8.

Das Publikum mochte aber Luca Hänni und «She Got Me» deutlich mehr und verlieh dem 24-jährigen Berner einen Boost. 212 Punkte kamen total vom Publikum dazu. Mit den schlechten Ergebnissen vom Publikum für Schweden (93 Punkte), Nordmazedonien (58 Punkte), Aserbaidschan (100 Punkte), Australien (131 Punkte) und der Tschechischen Republik (7 Punkte) schnellte die Schweiz nach oben auf Rang 4.
Negativ überrascht darf man von den mageren Punkten zweier Nachbarländer sein. Frankreich hat uns nur 4 Punkte gegeben (2 Jury, 2 Televote) und Italien nur 3 Punkten aus dem Televoting. Löblich sind neben Österreich auch Irland mit 17 Punkten und mit 16 Punkten das Gewinnerland Niederlande und Deutschland. Diese Länder gehören historisch zu den grosszügigsten Nationen gegenüber der Schweiz. Nur das Vereinigte Königreich und Finnland haben unserem Land seit Beginn des Eurovision Song Contest mehr Punkte verliehen. Schade, hat Luca vom Publikum Deutschlands keine 12 Punkte erhalten. Immerhin wurde er bei «Deutschland sucht den Superstar (DSDS)» bekannt. Kurzum: Die Schweiz hat Freunde. Es braucht aber noch etwas mehr Eigenständigkeit, um noch höhere Punkte abzuholen. Österreich und Conchita Wurst hat das 2014 mit «Rise Like A Phoenix» eindrücklich gezeigt. Denn Österreich hat kaum mehr Freunde als die Schweiz …
Punkte von der Schweiz an Europa
Und wie hat die Schweiz im Grand Final am 18. Mai 2019 gestimmt? Die Schweiz verteilte ihre Punkte in 14 Länder. Zuerst fällt auf: Wer neben der Schweiz wohnt, hat gute Chancen auf Punkte. Italien hat mit 17 Punkten die höchste Zahl erhalten (5 Punkte Jury / 12 Punkte Televote), leider mit einem schlechten Return on Investment, da die Schweiz nur 3 zurück erhielt. Deutschland schnitt mit 24 Punkten beim Contest schlecht ab (zweitletzter Platz), 6 Punkte kamen von der Schweizer Jury. Ist dies eine Unterstützung aufgrund der Tatsache, dass dieses Lied während des Schweizer Songwriting-Camps produziert wurde? Frankreich erhielt 5 Punkte aus der Schweiz. Was natürlich nicht überrascht: Albanien, Serbien und Spanien erhielten vom Schweizer Publikum Punkte, jedoch nicht von der Jury. Ein Migrations-Hinter-Grund! Die Niederlande mit 16 Punkten und Norwegen mit 15 Punkten sind die Länder, die mit Sicherheit am objektivsten beurteilt wurden, mit Einigkeit zwischen Jury und Publium.

Wir stellen fest, dass die Schweiz keine Ausnahme von der Regel macht, den Nachbarsländer Punkte zu geben. Wenn ein Song jedoch ausgezeichnet ist, spielen geografische oder Migrationsfaktoren keine Rolle. In diese Richtung muss die Schweizer Delegation weiterarbeiten. Reto Peritz und sein Team verstanden es einen Song zu produzieren, der ganz Europa gefällt. Wenn ein künftiger Song noch einen Tick eigenständiger wird, dann wird es klappen, den Eurovision Song Contest ein 3. Mal in die Schweiz zu holen. Die Hoffnung ist da. Und die Freunde in Europa sind es auch.
Bilder: douzepoints.ch / eurovisionworld.com
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