Er wird überall und oft erkannt – kein Wunder, wie er selbstironisch sagt, ein Musiker mit Gitarre und nur einer Hand falle halt einfach auf. So lässt sich Alejandro Reyes alles andere als behindern, zum Beispiel mit der Teilnahme bei «Das Supertalent» in Deutschland. Und mit seiner jetzigen Teilnahme in der Schweizer Eurovision-Ausscheidung. Damit betritt er gänzlich Neuland, denn den ESC kennt der gebürtige 25-jährge Chilene erst seit er in der Schweiz ist. douzepoints.ch hat ihn in Lausanne getroffen und sprach mit ihm über seine Wurzeln, Inspirationen und wohin ihn sein Song «Compass»führen könnte.
douzepoints.ch: Gratulation zu deiner Qualifikation. Was ist das für ein Gefühl?
Alejandro Reyes: Ich nehme zum ersten Mal teil und gleich beim ersten Mal bin ich fürs Finale qualifiziert – es kommt mir vor, als könne ich die Tragweite gar noch nicht begreifen. Eurovision war nicht gross auf meinem Radar, weil das in Chile nicht verfolgt wird. Ich habe mir nun aber Auftritte und das Voting angeschaut und werde mir bewusst: Das ist riesig! Und nun bin ich im Schweizer Finale. Es ist verrückt!
Welche 3 Adjektive umschreiben dich am besten?
Kommunikativ. Ich bin lustig … glaube ich zumindest (lacht). Und ich bin einfach.
Was sind die wichtigsten Stationen in deiner Karriere?
Es begann mit Strassenmusik. Als ich 18 Jahre alt war, erhielt ich eine Gitarre. Ich hatte nie gespielt, nie gesungen. Und über Nacht begann ich Songs zu schreiben und auf der Strasse zu singen. Die nächste Etappe waren Konzerte. Es begann, dass ich eingeladen wurde zu singen im Radio, auf Festivals oder privaten Partys. Ich erkannte, dass es noch weiter gehen könnte. Es hat den Leuten gefallen. Es war der Moment, wo ich auf Musik setzte. Ich habe ein Album gemacht. Mit diesen Songs spielte ich auf grossen Bühnen. Ich habe im Stade de Suisse vor 40 000 Leuten gespielt. Ich stand in der Mitte des Stadtions nur mit meiner Gitarre (lächelt). Ich war Pre-Act von Johnny Hallyday (A.d.R: In der Geneva Arena im Jahr 2015) und nahm bei «The Voice» in Frankreich teil. Dieses Album öffnete Türen für mich. Danach gab es einen Hänger. Abgesehen von Videos brachte ich zwei Jahre lang nichts mehr raus. Es war nicht meine Hand, die mich hinderte, weder mein Leben noch irgendeine Verantwortung. Ich fand es plötzlich schade. Ich bin 25 Jahre alt, ich mache gerne Musik, ich habe Fans, die mir jeden Tag folgen. Also entschied ich mich, wieder Vollgas zu geben und Musik zu machen, bis ich nicht mehr können sollte.
Musik erst seit 7 Jahren … Würdest du sagen, dass du ein Naturtalent bist?
Das wäre ziemlich eingebildet (lacht) … Ich habe ein gutes Musikgehör … Und ja, es gibt Dinge, ich mache ich gut.
Was war einer einer stärksten Momente bis jetzt in deinem Leben?
Alles, was ich tue, erlebe ich ganz intensiv … ganz ehrlich, ich weiss es nicht. Ich war gerührt, nachdem ich mein erstes Album veröffentlicht hatte, dass die Leute meine Lieder hörten und sangen. Sonst im Leben … die Erfahrung, die ich in Deutschland mit «Das Supertalent» hatte. Es war das erste Mal, dass ich alleine war. Ich kannte niemanden. Die Leute sprachen nicht die gleiche Sprache wie ich. Diese zwei Monate in Deutschland bleiben meine beste Lebenserfahrung.
Welchen Stellenwert hat Musik in deinem Leben?
Kürzlich kam ich zum Schluss, dass das Leben tatsächlich Musik ist. Es kann an Intensität zunehmen, kräftig sein, sensibel oder sanft. Ich sehe es bei allem, was ich tue. Auch im Leben gibt es Akustik. Alles, was wir machen, erzeugt einen Klang (streicht über seine Gitarre). Daraus kann man eine Melodie erstellen. Wenn wir reden, ist es Musik. Für mich ist Musik also wirklich alles.
Wer sind deine musikalischen Vorbilder?
In Chile sind die Leute auf der einen Seite sehr auf Punk, Rock, Metal aus. Die andere Seite mag Latino und Salsa. Es gibt also zwei Säulen. Es gibt zum Beispiel keinen Elektro. Meine Mutter liebte Ricky Martin sehr. Meine ältere Schwester als Teenager hörte Evanescence und Nightwish. Mein älterer Bruder war ein Fan von Christina Aguilera. Ich hörte auch Blink-182, Sum 41. Ich bin mit diesen Musikern aufgewachsen. Dann kannte ich James Morrison. Dies ist der erste Künstler, den ich wirklich schätzte, in seine Richtung wollte ich mich entwickeln, da er musikalisch sehr reich ist. Dann Milow, sehr akustisch. Tyler Hilton, Stevie Wonder, Bruno Mars. Und Ed Sheeran. Da ich im Skater-Milieu aufwuchs, hörte ich viel Rap und Hip-Hop. Ed Sheeran schafft es, akustische Gitarre und Hip-Hop zu mischen. Es ist eine perfekte Kombination. Er ist heute die Hauptstütze meiner Musik und inspiriert mich sehr.
Du gibst eine Dinner-Party für Freunde: Unter welchem Motto steht diese, was gibt es zu essen und was für Musik läuft?
Ich würde Latinomusik und Bossa Nova auflegen und für eine sehr chillige, schicke Atmosphäre sorgen. Ich würde das Essen gleich selbst servieren: kleine Canapés, Guacamole, Lachs. Ich liebe es zu kochen. Ich würde gerne Brathähnchen machen und dazu weissen Reis – simpel und einfach. Ich würde ein Dutzend Freunde und natürlich meine Eltern einladen.
Ich gebe dir nun immer zwei Begriffe, für einen musst du dich entscheiden: Schweiz oder Chile?
Schweiz
Skateboard oder Gitarre?
Oh, das ist hart, Gitarre
Singen in der Strasse oder Singen auf der Bühne?
Auf der Bühne
Singen auf Englisch oder Singen auf Spanisch?
Das ist ja schrecklich (lacht), auf Spanisch
Bruce Darnell oder Dieter Bohlen?
Bruce
Mehrere Male auf kleinen Bühnen oder ein einziges Mal auf einer grossen Bühne?
Viele kleine Bühnen
«Supertalent» oder Eurovision Song Contest?
«Supertalent»
«The Only One» oder «Compass»?
«Compass», hoch die Hände.
Ein Duett mit Stevie Wonder oder ein Duett mit Ed Sheeran?
Ed Sheeran
Du hast an verschiedenen Wettbewerben teilgenommen, The Voice, Supertalent. Was hat dich dazu gebracht, am Schweizer Vorentscheid für den ESC teilzunehmen?
RTS bot mir bereits mehrfach an teilzunehmen, aber ich konnte aus persönlichen Gründen damals nicht teilnehmen. Ich hatte aber schon seit Jahren Lust mitzumachen. Ich koproduzierte einen Teil meines ersten Albums mit Pele Loriano. Seither blieben wir in sehr gutem Kontakt miteinander. Dieses Jahr lud er mich in das Songwriter-Camp für Eurovision ein und ich nahm teil.
Sprechen wir etwas über deinen Song «Compass». Wie ist er entstanden? Was bedeutet er für dich?
Ich schreibe oft Liebeslieder. Es berührt mich. Ich wollte dieses Mal ein Lied, zu dem die Leute mehr Zugang haben. In meinem Lied sage ich: «Ich folge diesem Kompass direkt zu dir». Dieses «Du» kann jemand oder eine Leidenschaft sein. Wenn wir verloren sind, gehen wir immer zu etwas. Für mich ist es Liebe. Aber es für jeden anders.
Was bedeutet der Eurovision Song Contest für dich?
Ich bin daran, den ESC zu entdecken. Darunter auch Tom Dice, der Belgien 2010 vertrat. Er ist alleine mit seiner Gitarre auf der Bühne. Seine Leistung ist grossartig. Eurovision ist riesig. Ich habe gemerkt, dass es eine Mega-Show ist. Auch andere Kontinente verfolgen es. Das ist verrückt. Eine grossartige Gelegenheit.
Welche Schweizer Auftritte fandest du super?
Timebelle’s Auftritt war toll, Miruna war super.
An was musst du noch arbeiten bis zum Schweizer Finale?
Am Text. Wir haben Teile gewechselt, daran muss ich noch arbeiten. In Sachen Live-Show gibt es ebenfalls zu tun. Normalerweise bin ich immer mit Gitarre. Aber diesmal möchte ich ein prägender Charakter sein. Ein Sänger hinter seiner Gitarre wird gesehen und besprochen. Die Gitarre muss ein Plus sein.
Was denkst du über deine Chancen für den 4. Februar 2018?
Ich bin ziemlich zuversichtlich. Das Lied ist wirklich gut. Ich freue mich, es zu veröffentlichen.
Angenommen, du fährst für die Schweiz nach Lissabon? Was ist dir als Schweizer Vertretung besonders wichtig?
Das Essen. Man isst gut in Lissabon (lacht). Das Konzept des Songs muss respektiert werden, die Aussage soll erhalten bleiben. Und die Füsse stets auf dem Boden haben, Zen bleiben.
Du hast irgendeinen Wunsch frei, der aber nichts mit Eurovision zu tun hat. Was wünschst du dir?
Ich würde dich nicht um eine zweite Hand bitten, weil es mir gut geht. Ich hätte gerne Glück für meine Eltern. Oder ein Haus in Chile für meine Familie.
Und zum Schluss: Warum sollen die Leute für dich anrufen?
Wenn mir die Möglichkeit gegeben wird, etwas Grossartiges zu tun und an mich glaubt, fühle ich die Verantwortung. Ich gebe mein Bestes, um niemanden zu enttäuschen.
Vielen Dank für dieses Interview. Wir wünschen dir nur das Beste für das Schweizer Eurovision-Finale!
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Bilder: douzepoints.ch
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