Gerade mal 12 Jahre alt war Michèle Bircher, als sie 2013 mit ihrer beeindruckenden Stimmgewalt die erste Staffel von «The Voice Kids» in Deutschland gewann. Nun will das Energiebündel die nächste Stufe zünden und für ihr Heimatland an den Eurovision Song Contest in Kiew. Damit wäre sie die jüngste Teilnehmerin, die für die Schweiz ins Rennen geht.
douzepoints.ch: Gratulation, du bist in der Schweizer Entscheidungsshow für den Eurovision Song Contest 2017. Wo warst du, als du die Nachricht erhalten hast? Und was war das für ein Gefühl?
Michèle Bircher: Ich stand in meinem Badezimmer und wollte gerade duschen. Dann kam der Anruf und ich war perplex und wusste gar nicht, was sagen. Ich war mega glücklich!
Welche 3 Dinge muss man über dich wissen?
Ich bin eine sehr tollpatschige Person. Jeden Tag passiert mir etwas Peinliches. Ich falle um oder sage etwas, was ich im Nachhinein doof finde. Ich bin sehr mitfühlend und helfe gerne andern und habe ein offenes Ohr für viele. Und ich liebe Action. Ich muss mich immer bewegen und liebe alles, was schnell und hoch ist. Ich möchte gerne mal Fallschirmspringen.
Was machst du in deiner Freizeit?
Ich mache sehr viel Sport. Im Sommer jogge ich gerne oder gehe am Meer Kite- oder Windsurfen. Im Winter fahre ich gerne Snowboard. Und ich gehe ins Fitness. Und natürlich singen.
Was ist dir ganz wichtig im Leben?
Meine Familie. Die ist immer für mich da – in guten und in schlechten Zeiten. Ich bin halbe Italienerin – da wird Familie hoch gewichtet.
Was war dein bisher grösstes Highlight im Leben?
Das war klar «The Voice Kids». Ich war die erste Gewinnerin. Das wird mir für immer bleiben und ist in meinen 16. Lebensjahren schon ein Highlight.
Was hat sich denn seither verändert, wirst du angesprochen?
Früher hatte ich nur kleine Auftritte in der Umgebung oder bei Familienfeiern. Jetzt kommen Anfragen aus Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz. Mein erstes eigenes Konzert war ein Benefizkonzert, wo ich über 9000 Franken für die Muskelschwund-Hilfe sammeln konnte. Es kommt immer wieder vor, dass ich erkannt werde. Oft wird aber eher getuschelt, sie getrauen nicht auf mich zuzukommen. Und Autogramme darf ich nach den Auftritten geben.
Apropos tollpatschig: Hast du schon mal einen Auftritt erlebt, wo etwas in die Hosen ging?
Bei der 2. Staffel von «The Voice Kids» durfte ich den Opening-Song performen. Als ich auf die Bühne kam, bin ich über ein Kabel gestolpert und musste während dem Singen anfangen zu lachen.
In einem Interview sagtest du, dass du kreativ bist. Wie zeigt sich das?
Wenn ich zeichne, dann zeichne ich anders als die andern. Oder bei Geschichten muss ich nicht lange überlegen, es sprudelt einfach aus mir heraus. Ich könnte ohne Ende schreiben.
Schreibst du denn auch deine Lieder selber?
Meine Songs entstehen meistens in Zusammenarbeit mit anderen Songwritern und ich schreibe oft den Text.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Es lief immer Musik zuhause. Selbst, als ich noch nicht mal reden konnte. Ich summte mit. Wenn die Musik abgestellt wurde, fing ich an zu weinen.
Wie entstehen deine Songs?
Meine EP «Evolution» entstand in Zusammenarbeit, «Two Faces» habe ich gemeinsam mit drei Anderen in einem Songwriter-Camp geschrieben. Ich sagte, was mir gefällt und was nicht, und in welche Richtung es gehen soll und welchen Text ich mir vorstelle. Dass es in meinem Song hochgeht, habe ich extra so gewünscht, weil ich auch gerne hoch singe.
Und wie bist du dazu gekommen, dich für den ESC zu bewerben?
Ich wollte schon als kleines Mädchen beim Eurovision Song Contest teilnehmen. Ich machte mir aber immer wieder Gedanken, ob das nicht ein zu politischer Wettbewerb sei. Dann ging ich aber in dieses Camp. Als der Song vorlag, sagte ich mir, dass er gut zum ESC passt. Mein Ziel ist nicht, zu gewinnen. Vielmehr möchte ich meinen Song einem grossen Publikum präsentieren können. Das wäre eine super Gelegenheit
Und was bedeutet dein Song «Two Faces»?
Viele interpretieren, dass es um Gut und Böse geht. Für mich sind es aber eher die zwei Seiten, die ein Mensch hat. Manchmal ist er glücklich, dann wieder traurig. Es geht niemandem dauerhaft gut. Und deshalb soll man sich und andere auch so akzeptieren, weil es einfach normal ist und zum Leben gehört. Diese Botschaft möchte ich in einem positiven Sinn rüberbringen.
Michèle mit ihrem Eurovision Song «Two Faces» beim Live-Check am 4. Dezember 2016 im Fernsehstudio von SRF in Zürich.
Wie bist du dann auf die Ausschreibung von SRF aufmerksam geworden?
Schon im Vorfeld machte mich jemand darauf aufmerksam, dass ich mich doch bewerben könnte. Und dann passte es einfach mit dem Song.
Wer sind deine musikalischen Vorbilder?
Für mich ist Bejoncé eine absolute Power-Frau und sie zeigt oft, was angesagt ist und gibt die Richtung vor. Und Jennifer Hudson hat eine Hammerstimme. Das sind die beiden, die mich inspirieren. Ich sehe die beiden bewusst nicht als Vorbilder, da ich nicht so sein will wie sie. Ich bin ich und das soll so bleiben.
Was denkst du, wo du mit deiner Musikkarriere in 10 Jahren bist?
Ich mache mir nicht gross Gedanken dazu, weil ich im Hier und Jetzt lebe. Aber ja, mein grösster Traum ist natürlich, vom Singen leben zu können.
Du gibst eine Party für Freunde: Unter welchem Motto steht diese, was gibt es zu Essen und was für Musik läuft?
Ich würde eine 80er-Jahre-Party machen, ich liebe diese Zeit. Oft sage ich, dass ich in der falschen Zeit geboren bin. Ich würde also Musik aus dieser Zeit auflegen und zum Essen gäbe es eine riesige Pizza, die ich mit meinen Freunden teilen kann.


Wir geben dir nun immer zwei Begriffe, für einen musst du dich entscheiden: Ein Gesicht haben oder ein zweites Gesicht haben?
Ein Gesicht
Lampenberg (also dein Wohnort) oder Kiew?
Lampenberg
«The Voice Kids» oder Eurovision Song Contest?
Eurovision Song Contest
«If I Aint Got You» von Alicia Keys oder «Listen» von Beyoncé?
Listen
«Evolution» oder «Two Faces»?
Two Faces
Pädagogik oder Musik machen?
Musik machen
Modedesignerin oder Sängerin?
Sängerin
Schauspielerin oder Sängerin?
Beides (lacht)
Ein Duett mit Eros Ramazotti oder mit Helene Fischer?
Eros Ramazotti. Ich habe nicht gerne Schlager. Aber Helene Fischer finde ich vom Stil her hammermässig.
Mélanie René oder Rykka?
Mélanie René


Welches Eurovision-Lied ist dein absoluter Favorit?
«Heroes» von Måns Zelmerlöw. Mir haben die «Mansgöggeli» so gut gefallen, eine super Show! Und das Lied ist natürlich toll. Als ich das gesehen hatte, sagte ich zu meinem Vater: «Der gewinnt!»
Du bist nun offiziell Eurovision-Anwärterin. Hat sich seither etwas für dich verändert?
Mein Umfeld hat Freude daran. Meine Klasse freut sich sehr und sie kommen alle mit in die Show, um mich zu unterstützen. Sie sind gerade daran ein grosses Plakat vorzubereiten. Und ich habe Interviewanfragen. Aber sonst hat sich nicht sehr viel verändert.
Hast du das Video seit dem Live-Check nochmals angesehen? Woran willst du bis am 5. Februar 2017 besonders arbeiten?
Ja klar, ich habe es etwa 50 Mal angeschaut. Da ich aufgeregt war, ist mein Herz richtig gerast und ich hatte an einer Stelle nicht genügend Luft. Da musste ich ganz tief Luft holen. Vielleicht hört man das nicht unbedingt, aber mich hat es gestört. Da dachte ich mir, dass ich wieder mehr joggen gehen sollte bis zum 5. Februar.
Testfrage: Wie heissen deine 5 anderen Mitbewerber? Und was denkst du über sie?
Freschta, Nadya, Timebelle … Die anderen beiden weiss ich jetzt nicht mehr. Ich finde alle mega gut.
Was denkst du, wie deine Chancen am 5. Februar 2017 stehen?
Ich weiss nicht, ob mein Alter ein Vorteil oder ein Nachteil sein könnte. Ich lasse es auf mich zukommen. Ich gehe dorthin und gebe mein Bestes.
Angenommen, du fährst für die Schweiz nach Kiew: Was möchtest du dort rüberbringen? Was möchtest du erreichen?
«Two Faces» einem Millionenpublikum zu präsentieren wäre natürlich der absolute Wahnsinn. Ich möchte aber vor allem auch Spass haben und noch mehr Bühnenerfahrung sammeln. Und nicht zuletzt auch Leute kennenlernen. Dann wäre ich auch noch gespannt, Kiew zu entdecken.
Du hast einen Wunsch frei. Was wünschst du dir?
Ein Thema beschäftigt mich momentan sehr und macht mich traurig: Es sind die Anschläge, die überall stattfinden. Wenn ich mir also etwas wünschen könnte, dann dass das alles aufhört und nie wieder anfängt.
Und zum Schluss: Warum sollen die Leute für dich anrufen?
Als jüngste Kandidatin bringe ich frischen Wind, Energie und eine grosse Portion Unbekümmertheit mit. Ich werde alles geben und die Schweizerinnen und Schweizer auf keinen Fall enttäuschen. Auch mit 42 Grad Fieber würde ich mich noch auf diese Bühne stellen (lacht).
Vielen Dank für das Interview Michèle. Und wir sagen toi, toi, toi!
Michèle im Internet: Website, Facebook-Fansite, Instagram, YouTube-Kanal
Michèle ist auf My Eurovision Scoreboard auf Platz 5 mit 716 Punkten. (21.01.2017). Jetzt App downloaden!

Bilder: Still aus dem Video vom Live-Check von SRF sowie douzepoints.ch
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