Auf dem Boden geblieben, mit Herzblut dabei, kommunikativ und respektvoll – der 34-jährige Vollblut-Musiker Andy McSean aus St. Gallen ist ein Mensch voller Werte. Und dennoch will er nicht mit Mahnfinger und weltverbessernd an den Eurovision Song Contest 2015. Im Gegenteil: Sein Song «Hey Now» soll vor allem eines: Spass bringen. douzepoints traf Andy McSean in Zürich.
Zuerst einmal: Gratulation zur Qualifikation für die Entscheidungsshow. Wie fühlt sich das an?
Sehr schön. Auf der einen Seite eine wahnsinnige Befriedigung … und auch eine Bestätigung. Ich mache schon länger Musik und man hat nicht immer die Gelegenheit, sich von Experten bewerten zu lassen. So gesehen ist es auch eine Standortbestimmung. Es tut gut zu wissen, dass man in einem professionellen Umfeld bestehen kann. Und das motiviert. Auf der anderen Seite steigt die Nervosität. Aber natürlich gepaart mit einer riesigen Vorfreude.
Dachtest du, dass du es soweit schaffst?
(Zögert) Nein. Jetzt könnte man fragen, warum ich überhaupt mitgemacht habe. Für mich ging die Teilnahme Schritt für Schritt. Zuerst sah ich es als Plattform, um im harten Schweizer Musikbusiness wieder mal erwähnt zu werden. Zudem bin ich ein realistischer Mensch, der auf dem Boden bleibt. Das Internet-Voting erfolgreich zu bestehen, war schon mal grossartig. Und beim Experten-Check habe ich natürlich gehofft, weiter zu kommen. Aber damit gerechnet nicht.
Andy McSean beim Experten-Check am 7. Dezember 2014 bei SRF
Welche 3 Dinge muss man über dich wissen?
Oh Gott! Mir kommen 3 in den Sinn, die man nicht wissen sollte (lacht). Also: Ich mache schon lange mit viel Herzblut Musik, der ESC ist somit ein weiterer Schritt auf meinem musikalischen Weg. Mir bedeutet das Wort Respekt viel. Das habe ich übrigens auch beim Experten-Check erlebt, eine respektvolle Atmosphäre untereinander. Musik ist für mich etwas Verbindendes. Musik ist für mich kein Ego-Trip, ich möchte Leute emotional berühren.
Mit welchen 3 Adjektiven würden dich deine Freunde beschreiben?
Ich hoffe als respektvoll. Dann sensibel und unterhaltsam (lacht). Sicher auch kommunikativ.
Wie entstand eigentlich dein Song?
Nach der Veröffentlichung meines ersten Albums im Frühling 2014 hatte ich im Sommer wieder Lust, neue Songs zu schreiben. Als ich dann die Ausschreibung sah, wollte ich einen Song für den Eurovision Song Contest zu schreiben. Das war ein rascher Bauchentscheid.
Was bedeutet dein Song «Hey Now» für dich?
Spass! Ich gehe oft tief mit meinen Songs. Beim Song für den ESC wollte ich aber bewusst nicht schwülstig, weltverbessernd oder mahnfingerig sein. Ich fragte mich, mit welchem Lied ich auf dieser grossen Bühnen stehen möchte. So wäre das Geilste, was passieren könnte, wenn das Publikum mitwippen würde und gute Laune dabei hätte.
Du gibst eine Dinner-Party. Welche 3 Gäste würdest du einladen, was gibt es zu essen und welche Musik würde im Hintergrund laufen?
Das ist mal eine schönere Frage als die mit der einsamen Insel (lacht). Ryan Tedder von OneRepublic, ihn bewundere ich und mit ihm möchte ich mich austauschen. Dann Papst Franziskus, er muss sich in seinem Amt viele Gedanken über die Welt und Religionen und deren Chancen aber auch Risiken machen. Hmmm, und vielleicht meine Mutter. Aber mit ihr bin ich schon oft in Kontakt und tausche mich viel aus. Ich entscheide mich für Jamie Oliver, er könnte dann kochen. Am besten eine Kombination aus asiatisch und mediterran, verschiedene Vor- und Hauptspeisen, von allem wenig, damit man ausprobieren kann. Und Dessert ist mir nicht so wichtig. Als Musik würde ich Swing à la Rat Pack wählen. Diese Symbiose aus Entertainment und Musik würde in so einen Rahmen passen. Ich bin dann gespannt auf den swingenden Papst.
Ich gebe dir nun immer zwei Begriffe, für einen musst du dich entscheiden: Bart oder Schnauz?
Bart
Gitarre oder Gesang?
Gesang. Aber schwierig.
Pop oder Rock?
Pop mittlerweile. Ich habe Freude, heute Pop machen zu dürfen.
Licia Chery oder Timebelle?
Timebelle. Ganz persönlicher Geschmack, weils etwas rockt.
The Voice oder Music Star?
The Voice. Das ist das authentischere Format für mich.
Rucksackferien oder Badeferien?
Rucksack. Weil ich Badeferien schon mehr gemacht habe. Kanada würde mich reizen.
Fondue oder Raclette?
Raclette. Das ist vielseitiger, wenn man etwa noch Tischgrill dazu hat.
Spieleabend oder Party?
Ist beides glatt. Spieleabend finde ich unterdessen intensiver.
SEBalter oder Anna Rossinelli?
Uh, das ist schwer. Habe vor beiden Respekt. Ich nehme Anna, weil uns die Strassenmusik verbindet.
Conchita Wurst oder Loreen?
Conchita. Eine faszinierende Person. Nebst dem, was sie bewirkt hat, ist der Song fantastisch. Das ist leider etwas in den Hintergrund gerückt.
Was waren deine ersten Erinnerungen an den Eurovision Song Contest?
Wir assen früher immer am Tisch. Ausser bei ganz wichtigen Fernsehereignissen. Dazu gehörte «Wetten dass …?» und eben der ESC. Dann gab es belegte Brötchen und wir durften vor dem Fernseher essen, das war ein riesiges Highlight als Kind. Ich schlief aber oft ein und verpasste die Punktevergabe.
Welchen Song oder Artist, der den ESC gewonnen hat, findest du am besten?
Es gab viele, die ich bewundere und die Weltkarrieren machten: Abba, Céline Dion, Loreen. Was Céline nach ihrem Auftritt gemacht hat, ist unglaublich, wie ein Märchen.
Der ESC ist bekannt, dass er Schwule fasziniert. Kannst du das erklären?
Ich habe viele Schwule in meinem Umfeld. Ich denke, sie haben eher das Gespür für Künstlerisches und für Aussergewöhnliches und sie haben weniger Berührungsängste. Sie begreifen, wie cool dieser Event ist. Ich kann mir generell nicht erklären, dass man in der Schweiz beim Eurovision Song Contest die Nase rümpft. Denke aber auch, dass es im Umbruch ist und die Toleranz zunimmt. Früher hätte man am Stammtisch bei Conchita Wurst heftig debattiert, heute ist die Intoleranz zum Glück verstummt. Ich habe auch das Gefühl, dass sich die Qualität des ESC im Steigen befindet.
Kennst du die Namen der anderen 5 Mitbewerber? Was hältst du von ihnen?
Timebelle, Tiziana, Deborah Bough, Licia Chery und … moment, da muss ich studieren… Mélanie René. Mir gefallen alle Songs gut. Ich befasse mich aber bewusst nicht zu stark mit der Konkurrenz, sondern konzentriere mich auf unseren Weg. Ich sehe den Auftritt in der Entscheidungsshow nicht primär als Wettbewerb untereinander an, sondern möchte einfach einen guten Auftritt zeigen.
Du hast als Cover-Song «Chasing Cars» von Snow Patrol gewählt. Warum?
Ich habe den Song schon lange in meinem Repertoire und habe einen tiefen Bezug. Witzig ist, dass ich den Song SRF an erster Stelle vorgeschlagen habe und sie ihn ebenfalls ganz oben auf ihrer Liste hatten. Das passte einfach! Und ich bin überzeugt, dass der Song wirkt, er wird die Leute emotional abholen.
Welche Chancen errechnest du dir?
Ich hoffe natürlich mehr als 1 zu 6. Ich bin mir bewusst, dass ich das selber in der Hand habe. Egal ob es klappt oder nicht: Ich möchte von der Bühne abtreten und für mich sagen können «Yes, ich bin zufrieden». Das ist mir beim Experten-Check so gegangen. Wenn sie dann nein sagen, dann wollen sie mich einfach nicht. Wurmen würde mich, wenn wir es verhauen.
Angenommen, du würdest für die Schweiz nach Wien fahren: Was möchtest du erreichen, was möchtest du rüberbringen?
Das würde mich überwältigen! Ab dann wird aus der persönlichen Geschichte etwas Grösseres. Dann möchte ich die Schweiz würdig vertreten. Und die Schweiz als mehr als ein Schoggi- und Bankenland zeigen. Als ein modernes Land mit soliden Grundwerten, aber nicht verschlossen gegenüber Neuem und offen gegenüber andern. Und dann natürlich, das Halbfinale überstehen (lacht) und im Finale möglichst gut abschneiden.
Vielen Dank Andy für das Interview. Wir wünschen dir viel Glück für die Entscheidungsshow in Kreuzlingen!
www.andymcsean.com, Fansite von Andy McSean auf Facebook, Twitter-Kanal, Andy McSean auf Instagram Bild: Selfie von Andy McSean
Andy McSean in Zürich – exklusiv für douzepoints.ch
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