Wenn es jemanden in der Schweiz gibt, der den Titel «Mister Eurovision» tragen darf, dann ist er es: Sven Sarbach. Als «Head of Delegation Switzerland» ist er für die Wahl des Schweizer Acts und der Begleitung an den Austragungsort zuständig. Im Interview erzählt Sven vom jeweils spannendsten Moment, der Schweizer Selektion in diesem Jahr und seinem Highlight der 60-jährigen ESC-Geschichte
Sven, was ist das für ein Gefühl «Head of Delegation» der Schweiz für den grössten Musikwettbewerb zu sein?
Es ist eine grosse Ehre für mich, die Verantwortung für die Schweizer Delegation am ESC tragen zu dürfen, es ist jedes Jahr spannend und sehr emotional.
Wie bist du zu dieser Aufgabe gekommen und seit wann machst du sie?
Der ESC ist in meinem Bereich Show & Events angesiedelt und beinhaltet u. a. die Funktion als Head of Delegation.
Was war bisher dein Highlight am Contest selbst? Und mit den Schweizer Vertreterinnen und Vertreter?
Der Moment der Entscheidung im Halbfinale: Ist die Schweiz fürs Finale qualifiziert oder nicht? Das ist für mich jeweils ein an Spannung kaum zu überbietender Moment, und die Erlösung ist dann umso grösser, wenn es heisst «Switzerland»!
Was genau gehört zu deinem Aufgabengebiet?
Nach dem ESC ist vor dem ESC: Zuerst geht es um die Vorselektion, den detaillierten Selektionsmodus, das Reglement. Dann kommt die Phase der Bewerbung und des Votings und anschliessend muss die nationale Entscheidungsshow geplant und vorbereitet werden. Sobald der Schweizer Teilnehmer gekürt ist, fangen die Vorbereitungen des Auftritts am internationalen Wettbewerb an: Inszenierung und Choreografie, aber auch Marketing und mediale Begleitung gehören dazu. Und natürlich der regelmässige Kontakt mit der EBU und dem jeweiligen Broadcaster.
Was sind die wichtigsten Vorgaben, die du seitens EBU einhalten musst?
Grundsätzlich gilt das internationale Reglement.
Die Schweiz selektiert ihre Kandidatinnen und Kandidaten im Vergleich zu anderen Ländern früh. Warum?
Der wichtigste Termin ist die nationale Entscheidungsshow, und der ist in der Regel Ende Januar / Anfang Februar, anschliessend sind meistens keine Samstagabende mehr verfügbar. Sobald dieser Termin steht, können die vorgängigen Selektionsstufen definiert werden.
Die Selektion geschieht über mehrere Stufen. Dabei gibt es auch Stimmen, die sich über mangelnde Transparenz beklagen, mit dem Voting-Mechanismus mit 4 Stimmen nicht glücklich sind und nicht nachvollziehen, warum auch Songs aus dem Ausland eingereicht werden dürfen. Was meinst du dazu? Und wird sich etwas am Auswahlprozess ändern?
Dazu lassen sich zwei wichtige Punkte sagen: Erstens ist dieser Selektionsprozess erfolgreich, wir haben in den letzten Jahren mit Anna Rossinelli und Sebalter zweimal das Finale erreicht. Zweitens ist dieser Modus in der Schweiz anerkannt, es gibt im Vergleich zu früheren Selektionen praktisch keine kritischen Stimmen mehr dazu.
Den Vorwurf der mangelnden Transparenz muss ich klar zurückweisen, der gesamte Prozess wird unter juristischer Aufsicht durchgeführt, und noch nie war die Mitsprachemöglichkeit der Schweizer Bevölkerung bei der ESC-Selektion so gross wie heute. Zu den Songs aus dem Ausland: Mittlerweile ist der ESC globalisiert, und Komponisten und Produzenten aus allen Ländern bewerben sich in den verschiedenen teilnehmenden Ländern. Meine Meinung dazu ist klar: Wenn es dazu dient, dass die Qualität der eingereichten Songs steigt, dann sind Songeingaben aus dem Ausland sehr willkommen.
Im Moment gibt es keine Absicht, diesen Selektionsprozess zu verändern.
In der Bevölkerung hat der ESC keinen besonders hohen Stellenwert. Fuchst das manchmal?
Ich stelle fest, dass die mediale Wichtigkeit grösser ist als der gefühlte Stellenwert in der Bevölkerung. Allerdings ändert sich das schlagartig, wenn die Schweiz das Finale erreicht, das zeigt sich auch an den Zuschauerzahlen: Wenn die Schweiz im Finale ist, verfolgen bis zu 500 000 Menschen aus der Schweiz den internationalen Contest.
Was gibt es über Mélanie René zu sagen? Und was hat sie, was die bisherigen Schweizer Vertreterinnen und Vertreter nicht hatten?
Mélanie René und ihre Crew arbeitet zurzeit sehr intensiv an ihrem Auftritt, und wir dürfen gespannt sein, wie ihr Song im internationalen Umfeld ankommt. Am Schluss entscheiden drei Minuten darüber, ob das Lied den Publikumsgeschmack findet oder nicht. Wir sind überzeugt, dass Mélanie René einen tollen Auftritt bieten wird.
Was hast du gedacht, als du zum ersten Mal vom Plagiatsvorwurf zu «Time To Shine» hörtest?
Plagiat-Vorwürfe gehören zum ESC dazu, umso wichtiger ist es, rasch eine Untersuchung einzuleiten und das Urteil von unabhängigen Experten einzuholen. Im Fall von „Time to Shine“ hat die Analyse ein eindeutiges Resultat gezeigt: Der Song ist definitiv kein Plagiat.
Was macht Sven Sarbach, wenn er sich nicht um Eurovision kümmert?
In meinem Bereich sind zahlreiche Shows und Events angesiedelt, so dass es mir nie langweilig wird!
Welches sind deine Top 5 der 40 Eurovision-Songs 2015?
Ich halte es wie in den letzten Jahren und erstelle meine persönliche Rangliste erst, wenn ich die Performance der teilnehmenden Künstler auf der Bühne in Wien gesehen habe.
Und deine Top5 aus 60 Jahren ESC?
Naja – ich habe ja nicht alle 60 Jahre miterlebt! Aber ich finde den Song von Celine Dion «Ne partez pas sans moi» auch heute noch einen Knüller. Und natürlich würde ich es sehr gerne auch mal erleben, dass die Schweiz den Song Contest nach Hause bringt!
Danke für das Interview!
Mehr von SRF zum Eurovision Song Contest gibt es auf www.srf.ch/eurovision oder auf dem Twitter-Account von Sven Sarbach @srfesc
Bild: SRF