Nur sie ist bei allen 39 Acts am Eurovision Song Contest zuvorderst auf allen Kamerabildern: die Bühne (oder moderner: Stage). Lange geplant, in einem Monat aufgebaut und seit Ende April in vollem Betrieb, liefert das Technik-Team erneut ein Meisterwerk ab. Und dies perfekt angepasst auf die besonderen Herausforderungen im zweiten Corona-Jahr 2021. Ab in die Ahoy-Arena!
Einmal mehr das Werk des Deutschen Florian Wieder – zum siebten Mal ist er der Designer der Eurovision-Stage. Oder eigentlich umfassender: (dem sichtbaren Teil) der Eurovision-Halle. Bereits für 2020 war die Bühne designt und vieles schon konstruiert. Wieder orientierte sich an niederländischem Design und bezog Landschaften ein. So ist die Bühne inspiriert von den Kanälen und Brücken, die Land und Wasser in den Niederlanden verbinden. «Understated und more simple» sei es, meint Sietse Bakker, ausführender Produzent des ESC 2021. Zum Aufbau kam es aufgrund der Verschiebung nicht, Mitte Mai 2020 war jedoch klar: no stage-waste!
Selbstverständlich musste dies oder das verändert werden. Die markanteste Anpassung: die Ausdehnung des Greenrooms. Die Corona-Szenarien B und C unterschieden sich durch die Präsenz von Publikum in der Halle: 3500 Menschen dürfen bei Szenario B dabei sein, bei C null. Deshalb musste fürs Hallendesign eine Lösung hin, bei der die Acts im Szenario C nicht verloren dastehen und «Energie» erhalten und bei Szenario B das Publikum von den Acts im Greenroom getrennt ist. Die Lösung gab man am 12. Februar 2021 bekannt: der Greenroom füllt den ganzen Standing-Bereich, Publikum gibt es rundherum sitzend. Das Szenario B wurde denn auch bestätigt. In der Halle werden 3500 Plätze pro Show gefüllt, 4500 Sitzplätze bleiben leer. Somit werden die Delegationen zum Hauptpublikum der anderen Delegationen – wenn das nicht echter Eurovision-Spirit ist!
In 20 Tagen von der leeren Halle zu den Technikproben
Ab 9. April 2021 hauchte die Technik-Crew der 1971 gebauten Ahoy-Arena in Rotterdam Leben ein. 196 Tonnen Material wurden angekarrt und in die Höhe gezogen. Dazu wurden 2,6 Kilometer Traversen (ein Fachwerk) an der Decke befestigt, an sogenannten 200 «Rigging-Points». Die Techniker, die das machen, heissen Rigger und müssen schwindelfrei sein. Denn sie arbeiten in einer Höhe von 22 Metern. Natürlich sind sie das.
Die noch fast leere Ahoy-Arena Fachwerk und Rigging-Points sind oben Ein Rigger in luftiger Höhe
Und dahinter steckt in diesem Jahr noch mehr Spass als auch schon. Denn Corona-bedingt war die Event-Branche am Boden. Endlich wieder etwas tun zu dürfen (auch wenn alle 48 Stunden ein Corona-Test fällig war), tat den starken Menschen gut! Am 20. April war alles in der Luft, was nach oben musste. Die Konstruktion der eigentlichen Bühne konnte beginnen.
Das wohl markanteste technische Gadget der Eurovision-Bühne ist der LED-Screen. 52 Meter breit und 12 Meter hoch. Ein brandneues Produkt, das zum Einsatz komme. Und sich auch auf verschiedene Art und Weise öffnen lässt. Damit aber nicht genug Technik, ein paar technische Eckdaten zur Stage 2021:
LED-Screen 52×12 Meter
24 Kameras, davon 4 für den Greenroom, 1 Fly-Cam
1782 automatisiert gesteuerte Lichter
64 Scheinwerfer sind mit einem Follow-me-System verbunden
16 Kontrollpulte für die Lichtanimationen
LED-«Flowers» (Bundles von Lichtern, die sich senken lassen)
80 Funkkanäle für Mikrofone und 72 für In-Ear-Kopfhörer
298 Lautsprecher-Bundles zur Beschallung
4200 Meter Kabel für die Lautsprecher
Natürlich hat es in der Halle auch Windmaschinen. Und zur Technik gehört genauso der Soundcheck-Room oder die Generatoren, die sich ausserhalb der Halle befinden und ordentlich Saft liefern – auch wenn es zu einem Stromunterbruch kommt. Und in der Halle gibt es den «Scrutineer Desk». Zum ersten Mal wird dort in der Loge Martin Osterdahl als neuer Supervisor Platz nehmen und überwachen, dass alles korrekt abläuft. Ein ganz besonders Highlight in diesem Jahr wird eine Augmented Reality sein, das berichtete Krista in ihrem ersten Video ihrer Serie Krista calling.
Die LED-Wall in Konstruktion Backstage hinter der LED-Wall Backstage hinter der LED-Wall Einer der 24 Kameras Die Loge des Eurovision Supervisors Nicht wegzudenken: der Wind Soundcheck-Room Sorgen für Power: die Generatoren Erster Technik-Check am 29.04.2021
Am 29. April war der Aufbau abgeschlossen und die Technical-Rehearsals und Stand-in-Rehearsals (Doubles mimen die Acts aus den Ländern) konnten beginnen. Nun konnten die Früchte geerntet werden. Insbesondere werden sämtliche Steuerungen der Lichter vorgängig programmiert. Dies erfolgte in Amsterdam, wie dieses Video zeigt. Es wird also alles im Computer simuliert und danach mit der realen Technik verknüpft. Die ganze Show läuft in Form eines riesigen Programms ab, alles ist vorprogrammiert – auf ein einzelnes TV-Bild genau (davon gibt es 25 pro Sekunde). Es folgten schliesslich die Proben des Openings, der Intervall Acts und auch des Votings (Video unten). Und seit dem 8. Mai 2021 sind die Delegationen am Proben.
Hättet ihr gedacht, dass so viel Technik und Herzblut in dieser Eurovision-Stage steckt? Wir dürfen uns darauf freuen, wenn die Bühne in «full swing» ist!
Bilder: NPO/NOS/AVROTROS NATHAN REINDS (Titelbild), EBU / STIJN SMULDERS, eurovision.tv, Instagram @teamesc
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